Abschied von den Oratorianern

Abschied von den Oratorianern

Am Nachmittag des Christ-Königs-Festes – zum Ende des Kirchenjahres – haben sich in der Pfarrkirche Liebfrauen die Oratorianer von den Gemeinden und der Pfarrei verabschiedet. In der Vesper, die unter Leitung des Präpositus Michael Jäger gefeiert wurde, meldete sich sogar der Heilige Philipp selbst – vom hohen Himmel her – zu Wort:

„Verehrte Gemeinde im Herrn,
die Umstände, die Euch gerade bewegen und umtreiben wurden für mich zum Anlass, mich einmal direkt zu Wort zu melden. So viele Jahre gab und gibt es die Oratorianer nun in Leipzig, und so viele Jahre stehe ich hier als Holzfigur in der Kirche. Ich beobachtete, erheiterte, lud zum Verweilen ein, ermahnte, betete.
Mein Leben und Wirken war und ist ein Vorbild für die Gemeinschaft, die ich damals vor 500 Jahren gründete, und ein Vorbild für so viele Gemeinden und einzelne Christen.
Was ich hier erlebte und sah in den 90 Jahren war mir großer Trost und Auferbauung, weil ich im Wirken der Oratorianer viel Herzensgüte entdeckt habe, begleitet von weiteren Qualitäten, wie sie sich für christliche Herren schicken.
Ich werde nicht aufhören, die Gemeinschaft beim Herrn zu empfehlen und ihn zu bitten, er gebe jeden Tag größere Kraft und Tugend, um sie zu befähigen, die Lasten zu tragen die auf ihre Schultern gelegt werden. Vieles wurde hier bewältigt, ermöglicht, durchlitten. Jahre des Krieges, der Umbrüche und Abbrüche, der neuen Zuzüge aus Schlesien, Ungarn und vielen anderen Ländern, bis heute. Menschen wurden vor dem vernichtenden Arm der Diktatur gerettet, Menschen wurde in Systemen der Repression und Unmenschlichkeit Hoffnung vermittelt, wurden Menschen zur Taufe, zur Hochzeit, zur Erstkommunion, zur Firmung, zur Priesterweihe begleitet und auch für Tote gebetet. Segen für die Stadt und die ganze Kirche. Ja, für die ganze Christenheit, denn als ich hier in Rom mit Menschen die Bibel las und mit ihnen bedachte, hat Martin Luther im kalten Norden Europas, ähnliches vollbracht. Das nenne ich vom Geist der Wahrheit geleiteten Glauben und Wirken. Und das sollte auch meine Gemeinschaft weiterhin prägen. Den Geist wirken lassen. Auch den Geist der Versöhnung und des Friedens, wo doch so viel in den letzten Jahren und Monaten durch Wirren, Verwerfungen Streit und Ärger verdunkelt wurde. Schaut mich an und lasst Nachsicht und Humor walten. Was macht ihr euch das Leben nur gegenseitig so schwer?
Nehmt euch in Würde an, lasst einander die Freiheit, zieht los, jeder auf seine Art und Weise, aber immer mit dem Beistand des Geistes. Aufrichtig und demütig. Und natürlich mit dem Humor, dem Lächeln. Deshalb gebe ich euch noch ein paar gereimte Zeilen mit:

Was Menschen in den Abschiedstagen
an Gutem, Schlechtem von dir sagen.
Beim Scheiden Tadel oder Lob
ist als Bewertung viel zu grob,
es geht ja meist um viele Jahre.
Du kamst in blond, hast graue Haare,
dann wenn du gehst, doch wird die Zeit
dazwischen schnell zur Kleinigkeit.
Die viele Arbeit ist vergessen.
Der kleine Fehler hat indessen
ein zehnmal größeres Gewicht.
Dein guter Dienst kommt aus der Sicht,
gibt’s irgendwo den kleinsten Schatten.
Der Ärger, den die Leute hatten,
wiegt mehr als all dein gutes Tun. –
Was sagt uns das am Ende nun?:
Man lasse Eitelkeit vermissen
und achte nur auf sein Gewissen,
dann wenn wir kommen, bis wir geh’n!
Wir müssen vor uns selbst besteh’n!

Seid guten Mutes und hoffnungsvoll und kommt gerne immer wieder zu mir in euren Fragen und Anliegen. Ich bin da, wann immer ich Euch
nützen kann,
Ich grüße ich Euch mit christlicher und liebevoller Zuneigung.

Aus dem Himmel am 22. November 2020,
Euer Bruder im Herrn  Philipp Neri

Im Anschluss an die Vesper wurden Grußbotschaften und Dankesworte vorgetragen und verlesen. So sprach Herr Stemmler von den evangelischen Nachbargemeinden und Pater Jordanus Brand (als ehemaliger Mit-Oratorianer) von den Dominikanern in Wahren. Frau Renate Richter präsentierte eine Publikation zum Leben und Wirken des Leipziger Oratoriums. Diese wird voraussichtlich im Laufe der Woche erscheinen und in den Gemeinden zum Erwerb angeboten werden. Für die ökumenische Sozialstation sprach Herr Kirchhof und für die beiden zur Pfarrei gehörigen Kindertageseinrichtungen die Leiterinnen. Auch Probst Giele richtete einige Worte an die drei Brüder und die Gemeinde. Als Geschenk brachte er Tee in verschiedensten Variationen mit. Außerdem wurde ein Brief des Delegaten des Apostolischen Stuhles für die Konföderationen der Oratorianer, Herr P. Marco Guillén und ein Brief von Pfarrer Siegfried Völz (ebenfalls Oratorianer) verlesen. Zum Abschluss dankte und verabschiedete auch der Pfarreirat die Oratorianer. Dabei wurde ein Buch mit zusammengetragenen Dankworten, guten Wünschen und jeder Menge Erinnerungen von Mitgliedern aller zugehörigen Gemeinden überreicht – ein Unikat, dass die Oratorianer auf Ihrem weiteren Weg begleiten kann. Abgerundet wurden die Redebeiträge von einem fröhlichen Oratorianerquiz und dem sehr gelungen umgedichteten Lied „Drei Oratorianer fand ich einmal“. Allen, die am guten Gelingen dieser Verabschiedung mitgewirkt haben, sei herzlich gedankt!

Für alle, die nicht persönlich bei der Verabschiedung dabei sein konnten, wurde die Vesper und die anschließende Grußwortstunde auf dem You-Tube-Kanal der Pfarrei übertragen.

A.S. für die Homepagegruppe